Die Waldbrände änderten das Verhältnis zu meinen Manuskripten

 

Warum ich doch noch damit begann, Bücher zu veröffentlichen

 

 

 

2016 – Ein Sommer in Griechenland. Die Luft war stickig und kaum zu atmen. Die Feuer, die in Griechenland wüteten, verdarben einem den Spaß an der Meeresbrise. Das Fenster blieb geschlossen, um die saubere Luft in den Räumen frei von Rußpartikeln zu halten. Um die Zeit zu nutzen, in der man sich nicht traute, die Wohnung zu verlassen, kramte ich ein Märchen hervor, das ich 1994 (mit 22 Jahren) geschrieben hatte und las es nach 22 Jahren wie zum ersten Mal. Es unterschied sich von allen bisherigen durch seine Länge. Ein Buchmärchen, ein Märchenroman … auf kariertem Papier. Jede Zeile dicht beschrieben, kaum Rand, vor allem unten fast nie. Die Seitenzahlen klemmten in einer leicht übersehbaren Nische. Die Tinte des Manuskriptes war schon ziemlich ausgeblichen. Ein Relikt aus alten Zeiten, ein mit Füllfederhalter geschriebener Text, dessen Schrift nicht Herr werden konnte über die Wildheit, mit der die Worte aufs Papier drängten. Schon bei dem Gedanken, das jemals abtippen zu müssen, schmerzte es vorsorglich im Genick, um mich zu warnen. Ich legte das Bündel  wieder in den Schub.

 

Doch der gelben Luft, die sich zunehmend nach braun umfärbte, entsprang ein Luftgeist, der mich fragte: „Wenn die Feuer den Ort erreichen, was wirst du retten wollen?“

 

Meine Manuskripte, schrie ich und wunderte mich doch gleichzeitig darüber. Demütig zog ich den Schub wieder auf und war bereit, jeden Nackenschmerz dafür in Kauf zu nehmen. Ich tippte die ungesicherten Seiten in den Computer. Es war ein Kampf. Zum ersten Mal zeigten sich die Wörter, die ich doch so liebte, in einer widerspenstigen Form. Sie verschwammen vor meinen Augen, sie wechselten die Zeilen, forderten mich so lange heraus, bis ich akzeptierte, dass hier keine reine Schreibkraft gefragt war, sondern jemand, der sich voll in den Text einfühlen würde. Erst, als die Geschichte sich neu belebte, weil ich ihr Leben einhauchte, ließen sich die ausgeblichenen Buchstaben wiedererkennen und mühelos abtippen. Es dauerte trotzdem Tage.

 

Aber ich liebte diese Stunden über diesem Papier, das eine Seite in mir wach gekitzelt hatte, die ich noch nicht kannte. Die Freude, einen alten Text wiederzubeleben. Noch nie ist ein Meister vom Himmel gefallen, doch wenn einen eine Sternschnuppe trifft, dann scheint es nicht mehr möglich zu sein, wieder einzuschlafen. Die Freude, mit fertigem Rohtext zu arbeiten, stand in putzigen Kinderschuhen vor mir.

 

Inzwischen ist das Kind erwachsen geworden. Mittlerweile glaube ich, dass Sprache eine Wesenheit ist, die sich in mir entfalten kann wie ein Schmetterling. Sie fliegt nicht, wenn ich es verlange, aber wenn sie von Blüte zu Blüte flattert, ist es eine Freude, sie dabei zu bewundern.